1,3 Milliarden Menschen sind in Indien von der Ausgangssperre auf Grund der Corona-Pandemie betroffen. Unter dem landesweiten Stillstand leiden vor allem Tagelöhner, Wanderarbeiter und Familien in den Slums. Nicht ohne Grund haben diese Angst davor, eher vor Hunger zu sterben, als wegen des Coronavirus. Bis auf das Behindertenheim Snehasadan, das vollständig von der Außenwelt abgeschottet wurde, mussten alle durch KiN finanzierten indischen Schulen und Projekte bis auf weiteres schließen.
Jyoti lebt mit ihren Eltern und vier Geschwistern unter einfachsten Bedingungen auf engstem Raum, ohne Tageslicht, ohne Privatsphäre. Soziale Distanz und die Einhaltung der Hygienevorschriften sind hier ein Ding der Unmöglichkeit. Bis vor wenigen Wochen war Jyoti froh, täglich als Schülerin die Kinder Care Grund- und High-School in Tanuku besuchen zu dürfen. Dort erhielt sie nicht nur eine Ausbildung, sondern auch zwei Mahlzeiten am Tag – eine wichtige Stärkung für Jyoti, aber auch eine riesige Entlastung für ihre Eltern. Seit der Ausganssperre steht ihr Leben still. Für Unterricht zu Hause fehlt ihren Eltern die Bildung und für Essen fehlt es an Geld. Jyotis Familie lebt von der Hand in den Mund, was unter normalen Umständen schon schwierig ist. Der informelle Sektor und besonders die Familien der Tagelöhner drohen durch die Ausgangssperre in noch tiefere Armut abzurutschen.
Die Straßen vor Jyotis Haus wirken wie leergefegt. In ganz Indien gilt nun schon seit drei Wochen eine totale Ausgangssperre, es ist eine der rigidesten der Welt. Zwar bietet die indische Regierung Zugang zu Notfallfonds an, den Familien fehlt es jedoch oft an den dringend notwendigen Dokumenten, die ihnen diese wichtige Unterstützung sichern würden. Derweilen versucht KiN, hilfsbedürftige Familien mit Lebensmittelrationen und Reis zu unterstützen und über das Virus aufzuklären. Die Projektpartner vor Ort stehen im engen Kontakt mit diesen, nicht zuletzt um ihr Überleben zu sichern. „Wir haben schon hunderte Bedürftige erreicht, aber noch viel mehr leiden an Hunger“ sagt Dr. George, langjähriger KiN Partner. „Wir geben unser Bestes, Hilfsbedürftige in die Regierungsprogramme für die Notfallfonds einzuschreiben. Sollte dies nicht gelingen, werden wir auch weiterhin Notfallhilfe vor Ort leisten und den Familien wichtige Essenspakete stellen.“
Um die Notfallversorgung vor Ort zu sichern, hat die Kinder Care Grund- und High-School sich dazu entschlossen, die gerade eingefahrene, zweite Reisernte des Jahres den Ärmsten zur Verfügung zu stellen. Mit der ersten Reisernte wird in dem Hilfsprojekt die Versorgung aller Schülerinnen und Schüler für ein Jahr sichergestellt. Unter normalen Umständen wird diese zweite Ernte verkauft, denn diese deckt ziemlich genau die Kosten des landwirtschaftlichen Projekts. Nun soll sie die schlimmste Not lindern.
Aber auch die Versorgung mit Reis aus der zweiten Ernte wird schon bald an ihre Grenzen stoßen. Was den Familien droht, wenn die Rationen dem Ende zugehen, möchte wir uns nicht ausmalen müssen.
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